
Renate Dockendorff ist Gründerin und Geschäftsführerin der Confiserie Dinkenesh.
Süß, sahnig, schokoladig: Wer erst einmal eine Praline aus der Konditorei von Renate Dockendorff genossen hat, der will am liebsten gleich die ganze Packung naschen.
Von Arne Dettmann
Man muss dabei allerdings kein schlechtes Gewissen haben oder sogar glauben, man sei süchtig. Längst ist bekannt, dass Schokolade als natürliches Antidepressivum stimmungsaufhellend wirkt und mit herzschützenden Antioxidantien einen positiven Effekt auf die Gesundheit ausübt. Doch aufgepasst! Das gilt nicht für jeden x-beliebigen Schokoriegel am Straßenkiosk. Für echte Pralinen muss der Kakaopulveranteil bei mindestens 25 Prozent liegen. Eben so wie bei Dinkenesh.
Wer die Confiserie in der Nähe der Ecke Tobalaba mit Larraín im Santiaguiner Stadtteil La Reina betritt, der kann nicht nur diese vollmundigen, bissgroßen Erzeugnisse mit verschiedenen Füllungen wie Nüssen, Pistazien und vielem mehr kaufen. Im Angebot ist auch organische Tafelschokolade, dunkel und kräftig, je nach Bedarf ohne Zucker, ohne Milch, ohne Gluten, ja sogar ohne auf Eier und Soja als Ausgangsstoffe zurückzugreifen. Das dürfte Allergiker, Diabetiker und Menschen mit bewusster Ernährungseinstellung interessieren. Die Produkte kommen alle ohne Konservierungsstoffe aus und sind trotzdem alle lange haltbar, versichert Renate Dockendorff.
Doch wie werden diese feinen Köstlichkeiten eigentlich hergestellt? Die Chefin ordert zunächst die Zutaten, die in den Maschinen angerührt werden. Nun wird die temperierte Schokolade in Formen gegossen, wobei nach dem Abkühlen Hohlräume verbleiben, in die die Füllung kommt. Das Loch wird anschließend verschlossen und die Praline mit einer Überzugsmasse verziert. Das Füllen und fachgerechte Verschließen stellt den kompliziertesten Produktionsschritt dar. Hier muss Renate Dockendorff die Qualitätsprüfung vornehmen und mit strengem Blick darauf achten, dass keine Hohlstellen entstehen und die Pralinen gut aussehen. Privat- und Firmenkunden können dann flexibel hübsche Packungen mit einer bis zu 24 Pralinen und entsprechender Wunschfüllung bestellen.
Seit mehr als zwölf Jahren ist Dinkenesh in einer Branche tätig, dessen Hochburg einst Belgien und die Schweiz waren. Doch Chile ist reicher geworden und längst sind die Einwohner hierzulande ebenfalls auf den Geschmack gekommen. Die Konkurrenz in der Pralinenherstellung habe zwar zugenommen, so Renate Dockendorff, doch die Produktion selbst sei immer noch aufgrund der Handarbeit aufwendig und erfordere ihren eigenen ruhigen Rhythmus. «Ich kann stets neue Sachen ausprobieren, wozu ich gerade Lust habe. Es ist ein Luxus von dieser Kreativität zu leben.»
Sich schöpferisch in der Kochkunst zu betätigen gefiel Renate Dockendorff bereits als Kind, wenn sie Kekse und anderen Teigwaren mit Schokolade fabrizierte. Die in Temuco geborene Deutsch-Chilenin – sie ist Tochter des DCB-Direktors Dr. Ignacio Dockendorff und spricht übrigens perfekt Deutsch – besuchte die Deutsche Schule Santiago und machte im Anschluss eine vierjährige Hotelfachlehre.
Es lag eigentlich nahe, dass die junge Frau, die schon immer viel Leichtathletik machte und unter anderem als Ranger im chilenischen Nationalpark Torres del Paine sowie in den Thermen von Puyuhuapi Praxiserfahrung gesammelt hatte, nun ihre Kenntnisse als Bergsteigerin und Tourenleiterin anwenden würde. Doch die Reiseagentur für Abenteuertrips wollte die Expertin mit dem Studiumabschluss Tourismusplanung lieber im Büro in der Verwaltung sitzen haben. Das wiederum wollte Renate Dockendorff nicht – und kündigte.
Von nun an begann der berufliche Marsch auf eigene Faust. Mit einem Kompagnon gründete sie Dinkenesh. Der Name geht zurück auf ein 3,2 Millionen Jahre altes Menschenskelett, das 1974 in Äthiopien entdeckt worden war und mit Dinkenesh benannt wurde, was dort in der amharischen Sprache «Du Wunderbare» bedeutet. Nach nur acht Monaten stieg der Geschäftspartner aus, Renate war jetzt alleinige Besitzerin und Geschäftsführerin.
Was sie nun im Elternhaus und in der Schule nur als Hobby betrieben hatte, perfektionierte die Autodidaktin durch Fachlektüre, Fortbildungskurse und über den alten Spruch «Studieren geht über Probieren». Beate Dockendorff: «Ich habe glücklicherweise eine recht kulinarische Intuition dafür, wie etwas schmeckt und welcher Geschmack gut ankommt. Allerdings habe ich mich auch geirrt. Das gehört einfach dazu.»
Die Kultur der Kakao- sowie auch der Kaffee-Verarbeitung bis hin zum Konsum wurde zwar in Europa vervollkommnet, doch die Ausgangsstoffe kommen hauptsächlich aus Entwicklungsländern in Lateinamerika und Afrika. Beate Dockendorff besichtigte Kakao-Plantage in Ecuador und Peru. Dort habe sich der Anbau dank des Technikeinsatzes verbessert. Damit steigen die Chancen, so ihre Hoffnung, dass endlich auch diese Länder mit den europäischen Anbietern konkurrieren können und dass ihre Waren ebenfalls vom Verbraucher geschätzt werden.
«In Chile hat ein solcher Wertewandel bereits stattgefunden: Zunächst wurde das konsumiert, was das Marketing anpreist; also eben die tolle Schokolade aus der Schweiz zum Beispiel. Doch viele Verbraucher gehen nicht mehr nur nach der Verpackung. Sie informieren sich, woher die Schokolade kommt und suchen Alternativen.» – Eine Chance für Dinkenesh.
Ganz so einfach ist es für die alleinstehende Unternehmerin allerdings nicht, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Beate Dockendorff hat einen zehnjährigen Sohn, der genau so sportlich ist wie die Mutter, die nach der Arbeit noch am Trapez turnt. Der jüngere Spross ist erst zweieinhalb Jahre alt. Die Firmengründerin arbeitet zwar mit zwei Hilfskräften in der Pralinenherstellung, doch wie gesagt: Die Delikatessen zu produzieren benötigt eben Zeit. Oftmals kann sich die Mutter ihren beiden Kindern erst so richtig in den Abendstunden widmen.
Doch Beate Dockendorff ist emanzipiert und liebt ihre Kinder, aber auch ihre Arbeit. Und wer weiß, vielleicht nascht sie ja auch hin und wieder eine ihrer leckeren Pralinen. Immerhin wurde Schokolade zu Anfang des 19. Jahrhunderts in Apotheken noch als Stärkungsmittel verkauft.