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Channel: Porträt – Deutsch-Chilenische Wochenzeitung
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«Jetzt sind wir an der Reihe»

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Ricardo Steffens: An durchführbaren Projekten ist im DCB kein Mangel

Der Kassenwart des Deutsch-Chilenischen Bundes (DCB) lernte diese Einrichtung kennen, als er aktiver Burschenschafter war. Später, als er bereits berufstätig war und nach einem Auslandsaufenthalt nach Chile zurückkehrte, luden Mitglieder des Vorstands ihn ein, mitzumachen.

Von Walter Krumbach

So kam es, dass Ricardo Steffens seit zwei Jahren Direktoriumsmitglied ist. In seinem Alter, wo man intensivst im Berufsleben beschäftigt ist und Steffens ist dazu noch Ehemann und Familienvater, darf man sich die Frage stellen, was man davon hat, viele Stunden – und dazu meistens abends – für eine Institution herzugeben, von der man kein Honorar erwarten kann. «Ich habe das bereits bei meinen Eltern und bei meinem Großvater beobachten können. Es ist eine Art Stabübergabe, so ähnlich wie beim Viermal-100-Meter-Lauf. Jetzt sind wir dran, denn wer könnte es sonst sein», sagt er voller Überzeugung.
Seine Überlegung geht in die Richtung, dass jede Generation einmal an der Reihe ist, für die deutsch-chilenischen Institutionen etwas zu tun. «Dabei bin ich auf eine Gruppe gestoßen, die aufgeräumt und vergnüglich ist. «Dazu ist das Vermächtnis, das uns unsere deutsch-chilenischen Vorfahren hinterlassen haben, äußerst wertvoll und es wäre zu schade, es zu verlieren. Im Gegenteil: Es gibt viele Dinge, die verbessert und ausgebaut werden müssen, kurz: es gibt viel zu tun, und das ist meine Hauptmotivation».
Ricardo Steffens ist auf seine Wurzeln stolz und er macht keinen Hehl daraus: «Dieses an andere weiterzugeben, es kund zu machen und dass neue Leute sich anschließen, verursacht mir eine große Genugtuung». Er weist darauf hin, dass es «innerhalb unserer Gemeinschaft noch viel Unkenntnis über unser Wirken und unsere Dienstleistungen gibt. In unserer globalen Welt ist es unumgänglich, nach Deutschland zu fliegen, Menschen aus anderen Erdteilen, mit fremden Kulturen und Denkweisen, kennenzulernen. Heute ist es ein Leichtes, mit den Stipendien, die angeboten werden, zu reisen. Ich denke, da gibt es viel zu tun und zu entwickeln.»

Integration als Ziel
Innerhalb des DCB-Vorstandes vollzog sich in den letzten Jahren ein Generationswechsel. Mehrere schwungvolle Mittdreißiger, die vor Ideen und Tatendurst überquellen, können bereits Erfolge verbuchen. So zum Beispiel die Frühschoppen, die regelmäßig an bestimmten Wochenenden stattfinden. Sie haben sich zum Treffpunkt junger Leute entwickelt, die bei schmackhaften Häppchen und kühlem Bier anregende Gespräche führen und Kontakte aufbauen.
«Eines unserer Ziele heißt Integration», meint Steffens hierzu. «Unsere Einrichtungen, darunter der Cóndor, arbeiten zusammen. Und je mehr und besser wir uns abstimmen, desto mehr werden wir jedes unserer Produkte potenzieren können.» Erste Errungenschaften erlangte der DCB bereits mit der Deutschen Feuerwehrkompanie, deren junge Freiwillige seit einiger Zeit gern gesehene Gäste sind.

Ricardo Steffens wurde in Talcahuano geboren und wuchs in Los Ángeles auf. In dieser dynamischen Stadt der VIII. Region, deren Einwohner sich zum großen Teil mit der Landwirtschaft und der Forstarbeit beschäftigen, besuchte er die Deutsche Schule. Eine Zeit, an die er dankbar zurückdenkt: «Ich konnte damals Freundschaften fürs Leben schließen. Einige begleiten mich heute sogar im DCB-Vorstand». Die Eltern seiner Mitschüler bildeten eine vereinte Gruppe, was wesentlich dazu beitrug, dass die Schulzeit positiv verlief.
«Ich hatte das Glück, mitzuerleben, wie sich diese kleine Schule in eine mittelgroße, professionellere Bildungsanstalt verwandelte», erinnert sich Steffens. «Diesen Vergrößerungsprozess habe ich nicht nur als Schüler, sondern auch aus der Perspektive meines Vaters beobachten können, der damals im Vorstand war und an diesem Wachstum beteiligt war». So kam es auch, «dass ich seit meiner Kindheit erlebt habe, wie man die deutsch-chilenischen Einrichtungen unterstützt».
Die Schüler hatten verschiedentlich Gelegenheit, berufstätigen Leuten bei der Arbeit zuzuschauen. Sie begleiteten diese Freunde der Schule eine Woche lang bei ihrer Tätigkeit: «Dabei wurde es mir zum Beispiel klar, dass ich kein Arzt werden würde, weil ich eine Operation besuchte und sofort den Raum verlassen musste», schmunzelt er. Völlig anders war es dagegen mit den Verwaltungs- und Geschäftsleitungstätigkeiten. «Ich stellte fest, dass der Ingenieurberuf vielleicht eine gute Möglichkeit sein könnte». Tatsächlich entschied er sich für dieses Fachgebiet und studierte an der Universidad Gabriela Mistral Ingenieurwesen.
Es war eine «bewegte, intensive Zeit», versichert er, «ich habe nämlich nicht nur studiert, sondern bin auch in die Burschenschaft Andinia eingetreten». Die Verbindung stellte sich als ein idealer Ort heraus, um Bekanntschaften zu machen und andere aufzufrischen: «Damals kamen viele Burschenschafter aus dem Süden, wie ich», ein nicht zu unterschätzender Umstand, um sich heimisch zu fühlen, wenn man zum ersten Mal das Elternhaus für eine längere Zeit verlässt.
Seine erste Anstellung erhielt er in der Agrarindustrie, die Beeren, Nüsse und Mandeln exportierte. Anderthalb Jahre arbeitete er für diese Firma, um anschließend nach Kanada zu reisen, wo er sich ein Jahr in Vancouver niederließ, «um mein Englisch zu verbessern». Er belegte zunächst einen Englischkursus und arbeitete anschließend für ein Unternehmen, welches verschiedene Imbisslokale betrieb und außerdem Frühstückbuffets an Hotels vermarktete.
«Ich hatte damals das Glück, die Olympischen Winterspiele mitzuerleben», erzählt Steffens, «die Nachfrage an Gastronomieerzeugnissen war exponentiell. Ich half in der Logistik, um die Produkte zeitig abzuliefern». Es war nicht nur eine gute Gelegenheit, beruflich Etliches dazuzulernen, sondern auch mit den Olympiateilnehmern Kontakt aufzunehmen. «Die Atmosphäre war denkbar fröhlich und man lernte viele interessante Menschen kennen. Dazu ist Vancouver eine Stadt mit einem ausgezeichneten Lebensstandard mit zahlreichen Grünanlagen, ideal um sich wohlzufühlen.»

Der DCB auf Verjüngungskur
Nach seiner Rückfahrt ging für ihn ein persönlicher Wunsch in Erfüllung – Ricardo heiratete seine Verlobte. In dieser Zeit frischte er seine Verbindung zum DCB auf. Er hatte ihn als aktiver Burschenschafter zwar kennengelernt und vorher einige Dienstleistungen wie das Sommerlager und den Schüleraustausch wahrgenommen. «Aber ich hatte diese DCB-Produkte nicht mit dem DCB als solchem in Verbindung gebracht».
Heute stellt Ricardo Steffens einen Großteil seiner – eigentlich eng bemessenen – Freizeit dem DCB zur Verfügung. Mit großer Begeisterung setzt er sich für Neuzugänge ein. Der Bund führt zurzeit Pläne durch, um den Altersdurchschnitt seiner Mitgliedschaft einer Verjüngungskur zu unterziehen. Die Frühschoppen, die samstags mit großem Erfolg stattfinden, sind nur ein Beispiel dieser Projekte. Ebenso werden Konzerte organisiert, die ein junges Publikum ansprechen sollen. Steffens denkt dabei an Hochschulabsolventen im Allgemeinen und an die Sommerlagerteilnehmer im Besonderen. Diese sollten nicht nur passiv die Dienstleistungen des DCBs entgegennehmen und dafür ihre Mitgliederbeiträge entrichten, sondern «mit ihren Kenntnissen und ihrer Arbeit einen Beitrag leisten».
Die Möglichkeiten an neuen Dienstleistungen sind denkbar umfangreich. So könnte etwa der hochbewährte Schüleraustausch auf einen Studentenaustausch erweitert werden.
«Heute sind wir damit beschäftigt, den DCB zu stabilisieren, und dieser Prozess müsste im kommenden Jahr beendet sein», glaubt der Schatzmeister, «wenn wir voraussichtlich keine roten Zahlen mehr haben werden, was eine solidere Grundlage für eine neue Fahrtrichtung sein wird. Wir sollten also ein ‚leichteres‘ Unternehmen sein, um neue Initiativen angehen zu können». Mittelfristig wünscht er dem DCB im Zuge der Globalisierung eine zunehmende internationale Eingliederung. «Auf diesem Gebiet hat der DCB viel zu erreichen», meint Steffens, «der Austausch kann tüchtig vergrößert werden».

 

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